Freie Radikale: Moleküle, die Zellschäden verursachen und zum Altern beitragen.

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Freien Radikalen – sollte man nicht seine Stimme geben

Freie Radikale sind kleine, aber mächtige Moleküle, die in unserem Körper bei normalen Stoffwechselprozessen, wie der Atmung oder der Energieproduktion, entstehen. Sie werden oft als "böse Jungs" in der Geschichte des Alterns dargestellt, weil sie durch ihre hohe Reaktivität Zellschäden verursachen können. Doch um zu verstehen, wie sie funktionieren und warum sie so bedeutend sind, müssen wir uns ein wenig in die Biochemie vertiefen.

Ein freies Radikal ist im Wesentlichen ein Molekül mit einem ungepaarten Elektron. Dieser Zustand macht es extrem instabil und "hungrig" nach einem Elektron, um wieder stabil zu werden. In seiner Suche nach Stabilität kann ein freies Radikal andere Moleküle in der Nähe angreifen – oft sind dies Lipide, Proteine oder sogar DNA. Dieser Angriff führt zu einem Prozess, den wir als "oxidativen Stress" bezeichnen, bei dem die angegriffenen Moleküle selbst zu Radikalen werden und eine Kettenreaktion von Zellschäden auslösen.

Einer der frühesten Forscher, der die Bedeutung von freien Radikalen im Kontext des Alterns erkannte, war Denham Harman, ein amerikanischer Chemiker und Gerontologe. Bereits in den 1950er Jahren formulierte Harman die "freie Radikale-Theorie des Alterns", die vorschlägt, dass die Anhäufung von durch freie Radikale verursachten Schäden einer der Hauptgründe für das Altern und altersbedingte Krankheiten ist. Harmans Arbeit legte den Grundstein für viele spätere Studien, die den Zusammenhang zwischen oxidativem Stress und Erkrankungen wie Herzkrankheiten, Krebs und neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer untersuchten.

Ein anschauliches Beispiel, um den Effekt freier Radikale zu verdeutlichen, ist das Ansehen eines Apfels, der aufgeschnitten wurde. Wenn Sie den Apfel einige Minuten an der Luft lassen, wird das Fruchtfleisch braun. Dieser Prozess wird durch freie Radikale verursacht, die durch den Kontakt mit Sauerstoff entstehen. Ähnlich wie der Apfel oxidieren auch die Zellen in unserem Körper, was zu deren vorzeitiger Alterung und Funktionsverlust führen kann.

Unser Körper ist jedoch nicht völlig wehrlos gegenüber freien Radikalen. Er hat ein eigenes Abwehrsystem entwickelt: Antioxidantien. Diese Moleküle können freie Radikale neutralisieren, indem sie ihnen das fehlende Elektron zur Verfügung stellen, ohne selbst instabil zu werden. Vitamin C, Vitamin E und Glutathion sind Beispiele für solche Antioxidantien, die in vielen Lebensmitteln vorkommen und auch als Nahrungsergänzungsmittel eingenommen werden können.

Ein weiteres spannendes Beispiel aus der Forschung ist die Arbeit von Dr. Bruce Ames, einem führenden Biochemiker, der zeigte, wie bestimmte Diäten, reich an Antioxidantien, die durch freie Radikale verursachten Schäden reduzieren können. Seine Forschungen legten nahe, dass eine Ernährungsweise, die reich an Obst, Gemüse und Nüssen ist – allesamt reich an Antioxidantien – das Risiko von altersbedingten Krankheiten senken könnte.

Moderne Studien haben zudem gezeigt, dass nicht alle freien Radikale per se schlecht sind. In niedrigen Konzentrationen spielen sie eine wichtige Rolle als Signalmoleküle, die verschiedene zelluläre Prozesse regulieren, darunter auch die Immunantwort. Es ist also das Gleichgewicht, das zählt. Ein Übermaß an freien Radikalen, das die Kapazität unserer antioxidativen Abwehrmechanismen übersteigt, führt zu den schädlichen Auswirkungen, die wir mit dem Altern und Krankheiten in Verbindung bringen.

Zusammengefasst sind freie Radikale Moleküle, die durch ihre reaktive Natur Zellschäden verursachen können, was wiederum zum Altern und zur Entstehung von Krankheiten beiträgt. Doch durch eine ausgewogene Ernährung, reich an Antioxidantien, und durch das Vermeiden von übermäßiger Belastung durch Umweltgifte und Stress können wir das Gleichgewicht zugunsten unserer Gesundheit und Langlebigkeit verschieben.

 

Quellen:

  1. Harman, D. (1956). Aging: a theory based on free radical and radiation chemistry. Journal of Gerontology, 11(3), 298-300. DOI: 10.1093/geronj/11.3.298.
  2. Ames, B. N., Shigenaga, M. K., & Hagen, T. M. (1993). Oxidants, antioxidants, and the degenerative diseases of aging. Proceedings of the National Academy of Sciences, 90(17), 7915-7922. DOI: 10.1073/pnas.90.17.7915.
  3. Finkel, T., & Holbrook, N. J. (2000). Oxidants, oxidative stress and the biology of ageing. Nature, 408(6809), 239-247. DOI: 10.1038/35041687.
  4. Valko, M., Leibfritz, D., Moncol, J., Cronin, M. T., Mazur, M., & Telser, J. (2007). Free radicals and antioxidants in normal physiological functions and human disease. The International Journal of Biochemistry & Cell Biology, 39(1), 44-84. DOI: 10.1016/j.biocel.2006.07.001.

 

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